Datum: 28. Januar 2003 13:36
Hallo zusammen!
Ich habe mich heute einmal in Völkers Kapitel über die Isabella-Bremsanlage vertieft und kann jetzt genauere Auskunft geben. Dabei versuche ich, die von Heinz, Joachim und Christian aufgestellten Punkte abzuarbeiten.
Wir dürfen es uns natürlich nicht so leicht machen und Völkers Berechnungen als reine Theorie abtun. Völker war Leiter des Borgward Fahrversuch, also eíner absolut praxisbezogenen Abteilung. Nicht nur hier, sondern auch inseinem weiteren beruflichen Leben stand die Praxis oben an. Und wer sein Buch gelesen hat, kann daran auch nicht zweifeln. So viel zu Völkers Reputation.
Heinz schrieb: ...Mein VW Bus (Bj 70) trieb dies Spielchen.
Von ABS einmal abgesehen, verhielt sich der VW Bus so, wie es die Konstrukteure vorsehen. Bei einer Gefahrenbremsung tritt der Fahrer vor Panik so stark ins Pedal, dass die Vorderachse blockiert (ob die HA später oder gar nicht blockiert hat keinen Einfluss auf die Stabilität). Eine blockierte Vorderachse heißt immer (egal welcher Fahrbahnzustand): es geht gerade aus weiter. Kein Schleudern! Allerdings ist der Wagen auch nicht mehr lenkbar! Will man dem Hindernis ausweichen, muss die Bremse gelöst werden. Dieses Kunststück (Panik, Hindernis kommt näher und dann noch die Bremse lösen) bekommen nur die wenigsten Fahrer (ich schätze vielleicht 3 oder 4 von 100) hin.
Trotzdem ist diese Bedingung immer noch besser als die zuerst blockierende Hinterachse, denn damit schleudert der Wagen unkontrolliert..
Wenn ich mich richtig erinnere, ist die Bremsanlage der Isabella 1959 oder 60 auf andere Bremszylinderdurchmesser umgestellt worden. Hier muss man sich fragen, weshalb das gekommen ist?
Damit kein Irrtum aufkommt, betone ich, dass Diagonalreifen keine Lösung darstellen. Mir geht es nur darum, klar zu sagen, dass Gürtelreifen eine bisher nicht beachtete Gefahr darstellen können.
Nun sprechen wir immer von Erfahrungen. Da taucht bei dieser Sache ein Problem auf. Wer eine Notbremsung machen musste, weil beispielsweise ein anderer Verkehrsteilnehmer eine Gefahr heraufbeschwor, hat subjektiv den Eindruck: "Das war knapp!" Tatsächlich kann er als Insasse des Wagens nicht beurteilen, ob eine Blockierbremsung vorlag. Das können erst die Spurenaufnehmer der Verkehrspolizei oder im Versuch Beobachter, die sich an der Teststrecke aufstellen. Außerdem kann jeder Einzelfall durch einen anderen Einzelfall widerlegt werden.
Daher habe ich versucht beim stat. Bundesamt Zahlen zu folgender Frage zu bekommen:
Besteht die Möglichkeit bei Unfällen
- auf Autobahnen
- ohne Nebel bzw. Sichtbehinderung
- mit toten oder schwerverletzten Insassen
- das Fahrzeugalter festzustellen bzw. ob Oldtimer daran beteiligt waren
- und welche Reifen am Oldtimer verwendet wurden
So könnte man feststellen, ob das geschilderte Problem überhaupt aufgetreten ist (Nicht nur auf Borgward, sondern auf alle Oldtimer bezogen). Hier muss ich warten. Aber stellen wir uns einmal vor, dass wirklich seit 1980 vielleicht 150 Oldtimerfans tödlich verunglückt sind und wir jetzt eventuell einen Ansatz gefunden haben. Dann könnte man dieses Problem lösen. Hier sind auch die Reifenhersteller gefordert.
Ganz so heiß wird der Brei allerdings nicht gegessen. Völker beschreibt auf 15 Seiten die Entwicklung der Isabella Bremse.
Zitat: "Beim Durcharbeiten alter Versuchsberichte kam mir jetzt der Gedanke, die Bremsanlage und das Bremsverhalten der Isabella mit dem heutigen Wissen über die Bremsdynamik zu vergleichen. ... Das 1953 erarbeitete Konzept der Isabella-Bremsanlage erfüllte bereits im Versuchsstadium die wichtigen Bedingungen der Bremsstabilität." Das erstaunt, weil sich erst ab Mitte der 60er Jahre die Erkenntnis der Bremsverteilung und der Erhaltung Seitenführungskräfte bei den Konstrukteuren durchsetzte.
Völker rechnet mit einer Zuladung von 2 Personen (kritischer Beladungszustand). "Erfolgte die Bremskraftverteilung auf dieser Basis, verbessert jede zunehmende Belastung der Hinterachse die Stabilitätsreserve... Die damals in der Fachliteratur veröffentlichten Beispiele mit "beladungsoptimierter" Bremskraftverteilung lieferten daher häufig Fahrzeuge mit Bremsanlagen, welche die Stabilitätsbedingungen besonders bei geringen Zuladungen nicht erfüllen konnten."
Völker kommt zu dem Schluss, dass erst Reibwerte ab 0,9 µ lebensgefährlich sein können. Soweit ich weiß, wird dieser Reibwert nur von modernen Serienreifen mit einer weichen und warmgefahrenen Gummimischung bei Sommertemperaturen erreicht.
Um aber alle Bedenken zu zerstreuen, sollen tatsächlich in mehreren Versuchsreihen Isabellen, Lloyds, P 100 usw. mit
verschiedenen Beladungen etc. testgefahren werden. Vielleicht gelingt uns das im Sommer 2003.
Christians Frage erübrigt sich mit dem Hinweis auf den gefährlichen Reibwert von 0,9. Der war mit Michelin nicht machbar.
PS: Ich versuche, dass Herr Völker über dieses Problem einmal einen Vortrag hält. Er hat das mit wirklich großem Erfolg bei Citroen DS Club gemacht.
PPS: Interessante Zahl: Welche Beiträge haben im Forum mehr als 10 Zuschriften.
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Viele Grüße aus Bremen
pk
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