Re: Lebensträume: Carl F.W. Borgward im FS
geschrieben von: borgward-presseabteilung (---.246.66.115.tisdip.tiscali.de)
Datum: 18. Oktober 2006 21:56
Gut, der Konkurs im Januar 1961 wäre ohne Hilfe von außen wohl schwer abwendbar gewesen, aber sie hätte auch von außen kommen können (Ford? Chrysler?). Hilfe von außen wurde aber durch den "Spiegel"-Artikel vom Dezember 1960 zumindest sehr erschwert, weil er ein unverdient düsteres, aber verkaufsfördernd plakatives Bild von der Struktur des Borgward-Konzerns zeichnete. Dass die "Spiegel"-Autoren Brawand und Simoneit offensichtlich auch Informanten aus Senatskreisen hatten, ist überliefert. Und hier schließt sich schon irgendwie der Kreis: Der Senat hatte sicherlich wenig Interesse daran, Carl F. W. Borgward alleine weiter herrschen zu lassen; man darf aber auch davon ausgehen, dass weder Ford noch Chrysler angenehme Gesprächspartner für die staatlichen Bremer Dilettanten gewesen wären. Bremer Provinzsozen und abgezockte US-Manager der US-Automobilindustrie, das wäre ganz sicher ein Spaß gewesen, gegen den die Eigenarten Carl F. W. Borgwards harmlos gewirkt hätten (Anmerkung: meine eigene, rein subjektive Einschätzung der Dinge, untermauert durch Zeitzeugenprotokolle - wer das korrigieren kann, ist herzlich dazu eingeladen).
Man kann Carl F. W. Borgward unter Umständen vorwerfen, sich nicht rechtzeitig an die Brust eines starken Partners geworfen zu haben; nicht aber, dass er blind vor dem Wandel des damaligen Automobilmarktes stand. Der P 100 ist in meinen Augen eines gutes Beispiel für eine richtige Reaktion auf den Umbruch: Borgward hatte in Sebaldsbrück zu geringe Kapazitäten für eine richtig rentable Mittelklasse, also investierte er nicht in eine neue Isabella, sondern in individuelle Oberklasse mit entsprechend geringerer Stückzahl, aber höherer Marge (Hahnemann hat es später mit dem Wort von der Nische richtig umrissen); ein erfolgreicher P 100 wäre ihm bei einer Höherpositionierung der Isabella II sicherlich gelegen gekommen. Und erfolgreich hätte der P 100 in einer Marktnische neben Opel Kapitän und Mercedes 220 (S, SE) sein können. Nicht dran zu denken, was hätte sein können, wenn Chrysler Hemi-Motoren nach Sebaldsbrück geliefert hätte... - na ja, es hat nur zu Valiant-Modellen mit Borgward-Diesel gereicht, was aber auch schon eine gewisse Kreativität beweist.
Gerade die Chancen zur Höherpositionierung bestanden aber nur so lange, wie Borgward nicht die ersten Seiten der "Bild"-Zeitung beherrschte. Das Drama des falschen Zeitpunkts traf sicher mit schlichter Unwissenheit und Dummheit im Bremer Senat, aber es ist vergeblich, heute darüber zu diskutieren: Ein neuer Borgward wird uns eines Tages vielleicht trösten, aber nicht das sein, was hätte sein können.
Ich wünsche frohe Nachtgedanken und gebe mich jetzt dem schweren Rotwein hin -