Re: Borgward lebt - wer hat´s gelesen?
geschrieben von: Peter (---.mch.sbs.de)
Datum: 07. November 2006 08:26
Liebe Borgwardfreunde,
mittlerweile gehöre auch ich zu der Gruppe derer, die den Roman gelesen haben. Da ich dazu immer nur die Fahrzeiten in den öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen konnte, habe ich über eine Woche dafür benötigt; dabei sieht man erst, wie viel Zeit man das ganze Jahr über einfach verfährt.
Mein Eindruck von dem Buch war, dass es an sehr vielen Stellen erheblich mehr als "ganz nett" ist, sondern wirklich meisterhaft - und das als Erstlingswerk eines Autors, der sich ja zuvor noch nie als Romanschriftsteller betätigt hatte! Nach meinem persönlichen Empfinden hätte man allerdings den Teil, nach dessen Lesen man zuerst einmal schlecht träumt, getrost auch etwas abmildern können. Diejenigen, die das Kapitel schon gelesen haben, wissen, was ich meine; den anderen möchte ich nicht zuviel im Voraus verraten. Auch darüber, ob ein heimtückischer Mord wirklich notwendig ist, um Gewichtung und Spannung in das geeignete Verhältnis zu setzen, kann man durchaus geteilter Meinung sein. Am Schluss stelle ich eine gewisse Action-Überhäufung fest, die den ansonsten sehr anschaulich geschriebenen Roman ein wenig zum Reißer abdriften lässt. Hervorragend gelungen ist nach meinem Empfinden die Extrapolierung des Tons im Hause Borgward in die erfundene Epoche, gegen die das Geschehen nach dem tatsächlichen Zusammenbruch ausgetauscht wird. Andreas Berse schreibt so wirklichkeitsnah, dass man sich unwillkürlich wundert, diese "Tatsachen" in den früheren Berichten zum Thema gar nicht bemerkt zu haben; dann fällt es einem erst wieder ein, dass man ja einen frei gestalteten Roman vor sich hat und kein Geschichtsbuch. Die Idee, dass der Firmengründer gleichsam in der Person des Herrn Dr. Schlüter weiterlebt, ist einerseits originell und gibt anderseits Aufschluss darüber, warum die Firma unter Anpassung an alle innovativen Techniken und politischen Entwicklungen im ursprünglichen Sinne weitergeführt wird.
Für Eingeweihte aus der Borgwardszene eignet sich dieses Werk vortrefflich als Weihnachtsgeschenk. Bei Personen, denen dieses Thema nichts sagt, muss man allerdings etwas vorsichtiger sein, weil dieser Gruppe ein wesentlicher Teil dessen, was der Autor vermitteln möchte, verborgen bleibt; die Folge kann dann ein leicht verständnisloser "na ja"-Kommentar sein, welcher den subtilen Werten des Buches nicht gerecht würde.
Natürlich sind meine Äußerungen rein subjektiv und erheben keinesfalls den Anspruch einer professionellen Literaturkritik; sie spiegeln lediglich meinen spontanen Eindruck wider und können bei anderen Lesern auch ganz anders ausfallen.
Viele Grüße,
Peter
2 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.11.06 06:07.