ACHTUNG: Dieses Forum ist seit dem 24.03.2013 nur noch lesbar zugänglich.
Bitte benutzen Sie das neue Forum.
Altes Forum durchsuchen
Das Borgward-Forum
Borgward ganz fix zum Hitler-Unterstützer
geschrieben von: pk.bremen (---.dip.t-dialin.net)
Datum: 18. Januar 2010 23:39

In einem Artikel eines Rolf Ehlers wird behauptet:

"Baron August von Finck sen. steht übrigens mit einer ganzen Riege großmächtiger Unterstüzter Hitlers aus Industie und Wirtschaft wie Abs, Blessing, Borgward, von Borsig, von Bülow. Dornier, Duisberg, Flick, Heinkel, Krupp, Sohl und Stinnes auf der Liste der Verbrechen der Wirtschaft im Dritten Reich."

Quelle:
[www.readers-edition.de]

Ich antwortete in der Hoffnung, das mein Kommentar auch veröffentlicht wird:

Sie verwechseln den Bremer Autoindustriellen Carl F.W. Borgward mit einem wohl recht unbekannten Direktor Borgwardt aus Frankfurt/Main, der aufgrund Ihrer Quelle vermutl. zur IG Farbenindustrie gehörte.

Das ist bei solchen Anschuldigungen ziemlich leichtfertig und zeugt von einer oberflächlichen Recherche.

Viele Grüße aus Borgward-City
pk

 
Re: Borgward ganz fix zum Hitler-Unterstützer
geschrieben von: Peter (92.117.117.---)
Datum: 27. Januar 2010 22:25

Liebe Borgwardfreunde,

Ob in diesem konkreten Fall eine Namensverwechslung vorliegt, kann ich nicht sagen. Tatsache ist jedoch, dass Carl Borgward sich als Wehrwirtschaftsführer über sämtliche Skrupel menschlichen Mitgefühls hinweg setzte, für seine Rüstungsproduktion Zwangsarbeiter anforderte und diese den Schindern der SS aussetzte, bis sie umfielen, was kein großes Problem darstellte, weil genug "frische" bereit standen. Zwangsarbeiter wurden nicht einfach zugewiesen, sondern aktiv "bestellt" und bezahlt, wobei das Geld der SS zufloss - nicht etwa den Arbeitern. Diese Institution sprach den Unternehmer von jeglicher Verantwortung frei, was die meisten auch gerne annahmen und damit ein gutes Gewissen hatten. Es ist andererseits kein einziger Fall bekannt, bei dem ein Unternehmer in Schwierigkeiten geriet, wenn er sich aus eigener Initiative um eine bessere Verpflegung der ihm überstellten Arbeitskräfte kümmerte, wie dies beispielsweise Oskar Schindler tat. Die Gewinne aus der Rüstungsproduktion transferierte Borgward in die Schweiz, von wo er sie nach seiner Entnazifizierung, bei der er die richtigen Freunde an der richtigen Stelle hatte, wieder abholte und damit den Aufbau seiner drei Firmen finanzierte. Für ihn war das braune Kapitel abgeschlossen.
Diese dunkle Vergangenheit hat nichts mit der guten Qualität unserer Nachkriegsautos zu tun und dem Zauber des wieder gewonnenen Frohsinns, der ihnen auch heute noch anhaftet. Man muss hier einfach trennen können und sollte nichts beschönigen oder verharmlosen, weil damit eine gewisse Illusion zerstört wird.
Viele Grüße,

Peter



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 30.01.10 15:38.

 
Re: Borgward ganz fix zum Hitler-Unterstützer
geschrieben von: SchwedenHansa (---.ewe-ip-backbone.de)
Datum: 28. Januar 2010 19:06

Oha Peter...

Dann sind also die Briefe in denen sich ehemalige Zwangsarbeiter bei der Familie Borgward für ihr gute Behandlung bedanken "gefaket"?

So ist bekannt, dass Zwangsarbeiter bei Borgward mehr zu Essen bekamen wie ihnen gemäß Regierungsanweisungen zustand und sie durften die Luftschutzanlagen mitbenutzen. Was ja für Zwangsarbeiter verboten war... Außerdem ist bekannt das er sich immer wieder vor seine Arbeiter stellte um diese zu schützen. Dabei war es ihm egal ob diese Leute "normale" Arbeitnehmer oder Zwangsarbeiter waren.

Einen dieser Briefe hat Monika Borgward 2003 am Denkmal in Sebaldsbrück anlässlich des 40ten Todestages Carl F W Borgwards vorgelesen.

Und ja es floss Geld in die Schweiz. Da sollte man aber auch nicht vergessen, dass Borgward schon vor dem Kriege einer der ganz Großen war. Wäre er dies nicht gewesen, hätte der Goliath Pionier nie die deutschen Zulassungsstatistiken angeführt... Und die unter Borgward entsatndenen Hansa-Lloyd Lastwagen hatten schon lange vor Kriegsbeginn einen Weltruf. Wenn da mal kein Geld verdient worden ist... und das ganz ohne Zwangsarbeiter... Ohne diesen "Vorlauf" wäre Borgward nie Wehrwirtschaftsführer geworden und hätte nie Rüstungsaufträge in diesen Größenordnungen bekommen!

Nachdenkliche Ölfingergrüße
Stephan

 
Re: Borgward ganz fix zum Hitler-Unterstützer
geschrieben von: Peter (188.46.41.---)
Datum: 29. Januar 2010 20:12

Hallo Stephan,

Schönen Dank für deine engagierte Stellungnahme zu diesem doch sehr heiklen Thema! Was in der dunklen braunen Zeit damals wirklich genau passiert ist, kann heute kaum jemand mit Gewissheit sagen, weil wohl die meisten von uns noch lange nicht auf der Welt waren. Somit sind wir auf Quellen angewiesen, deren Seriosität natürlich unterschiedlich ist. Am sichersten sind dabei noch Bücher, weil der Autor mit seinem Namen dahinter steht und möglicherweise große Unannehmlichkeiten riskiert, wenn er wissentlich oder auf Grund oberflächlicher Recherchen falsche Behauptungen aufstellt. Ich habe zu obigem Thema das Werk „BORGWARD EIN BLICK ZURÜCK“ von Ulrich Kubisch und Volker Janssen zu Rate gezogen. Dort heißt es auf Seite 137 über die Situation im Borgwardwerk während der Spätphase des Zweiten Weltkriegs wörtlich:

„Besonders übel war die Behandlung von Fremdarbeitern. Während Holländer und Franzosen, die in der E-Werkstatt mitarbeiteten, ausreichend versorgt und in der Weserlust eine annehmbare Unterkunft hatten, behandelten die Behörden die Polen und Russen, in der Hauptsache Ukrainer, menschenunwürdig. Den Weg vom Lager zur Arbeitsstätte, von Sebaldsbrück nach Hastedt – das waren ungefähr fünf Kilometer – legten sie immer unter Bewachung zurück. Das Mittagessen gab es aus der Werksküche. Es war zumeist eine Extrasuppe aus Kartoffelschalen, Kohlstrüncken und anderen Küchenabfällen. Obwohl sie ihr Mittagessen von den deutschen Kollegen getrennt einnahmen, bekamen diese schnell die miserable Verpflegung der Fremdarbeiter mit, und viele Deutsche steckten den Polen und Russen einen Kanten Brot oder sonst etwas Genießbares zu. Allerdings gab es auch in einigen Abteilungen 150prozentige Nazis. Von denen wurden die Russen häufig geschlagen und geprügelt.“

Aus diesem Kapitel von Arne Anderssen in dem zuvor erwähnten Buch ist zu entnehmen, dass die Behandlung der Zwangsarbeiter abhängig von ihrer Herkunft sehr unterschiedlich war. Somit können die erwähnten Dankesbriefe durchaus echt sein, wobei aber vor allem die Absender interessant wären. Der „Kunstgriff“, einen kleinen Teil der zugeordneten Arbeitskräfte einigermaßen gut zu behandeln und den großen Rest hemmungslos auszubeuten, wurde vielerorts praktizieret, wobei man dann stets auf diese Vorzeigegruppe verwies und später steif und fest behauptete, es sei allen „nachweisbar“ gut ergangen.

Es ist unbestritten, dass bereits in den Vorkriegsjahren beträchtliche Gewinne erwirtschaftet wurden; jedoch kam es bei Borgward fast nie zur Bildung von größeren Kapitalreserven, denn die Überschüsse flossen meist sofort in neue Entwicklungen. So sagte Borgward einmal selbst über sich: „Geld gebe ich immer fünf Minuten, bevor ich es habe, wieder aus“ („Fräulein-Wunder“ von Christian Steiger, Seite 62). Es ist zu vermuten, dass die Kapitaldecke auch in der Vorkriegszeit „papierdünn“ gewesen ist – ebenso wie dann später zu Beginn der Sechziger Jahre, als aus genau diesem Grund das Ende eingeläutet wurde. Lediglich in der Kriegszeit durften keine Neuentwicklungen im PKW-Bereich durchgeführt werden, da man jeden Ingenieur für die Konzipierung von weiterem Zerstörungsmaterial brauchte. Da konnte rasch neues Kapital angehäuft werden, weil die Lohnkosten praktisch wegfielen. Dieses wurde in die sichere Schweiz gebracht und wartete dort auf den Neubeginn. Somit ist die Vermutung, dass der Start 1948 zu einem großen Teil aus den Mitteln finanziert wurde, die von den Zwangsbeschäftigten erarbeitet worden sind, nicht ganz von der Hand zu weisen. Über die genauen Details der Finanzen waren verständlicher Weise nicht einmal die Insider informiert.

Die Situation in diesem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte muss man so objektiv wie möglich zu sehen versuchen. Wir als begeisterte Besitzer von Borgwardfahrzeugen neigen natürlich manchmal dazu, nicht nur diese, sondern auch ihren Schöpfer gleichsam zu vergöttern. Das eine hat jedoch mit dem anderen nichts zu tun und niemand will Borgward wegen seiner braunen Vergangenheit und seiner Unwilligkeit, daraus etwas zu lernen, seine genialen Fähigkeiten als Konstrukteur, Manager und Unternehmer absprechen oder auch nur in Frage stellen.
Viele Grüße,

Peter

 


Info: Keine Schreib-Berechtigung - Nur noch lesbar - Bitte benutzen Sie das neue Forum.
This forum powered by Phorum.