Re: Vergangenheit
geschrieben von: borgward-presseabteilung (---.dip0.t-ipconnect.de)
Datum: 29. Juni 2005 22:04
Schönen guten Abend (kleine Verspätung - viel Arbeit im Pressebüro :-)),
Schweden-Coupés hatten den selben Schriftzug wie alle anderen. Zum Thema Spurensuche in Schweden kann ich den schwedischen Club empfehlen, Lars-Erik Larsson in Oxie bei Malmö kennt den Lebenslauf vieler Borgward im Land, weil er dem Thema jahrzehntelang mit größter Leidenschaft verfallen ist. Der Besuch schwedischer Borgward-Treffen zählt ebenfalls zu den Szenen-Highlights, ich komme seit einigen Jahren aus vielen Gründen leider nicht dazu (was mir sehr fehlt). Fahrzeugbriefe nach deutschem, jetzt auslaufendem Vorbild gibt es in Schweden leider nicht, was die Suche nach Erst- bzw. Frühbesitzern leider erschwert. Im Falle meines früheren Schweden-Coupés (347 266, frühes 1958er Baujahr) lief alles ins Leere.
Vielleicht sollte man im Rahmen dieses Forums mal versuchen, ein Isabella-Register anzulegen, auch wenn das sicherlich jeden vernünftigen Rahmen sprengt - aber was ist schon vernünftig... Oder wenigstens die ganzen privaten, aber oft wunderbaren Erstbesitzer-Geschichten sammeln, Aral-Bert hat da völlig recht. Man müsste/könnte/sollte ein kleines Buch daraus machen. Mit der Story von Frau Dr. L. etwa, die sich ihr Isabella TS Cabriolet im Jahr 1961 nur kaufte, um einmal wöchentlich aus der süddeutschen Kleinstadt in die weiter entfernte Kreisstadt zu fahren, immer fürs gleiche Ritual: Kaffeetrinken, Modehaus, Bibliothek... Nur etwa 40 000 Kilometer sind bis zu ihrem Ableben im Jahr 1987 daraus geworden. - Oder von Siegfried R., der bis in höchste Alter kein anderes Auto als das Isabella Coupé fuhr, das aber in dreifacher Ausfertigung (Baujahr 1959/60/61), zuletzt alle schwerst patiniert und über 300.000 km gelaufen, aber im Alltag unterwegs. Zu Borgward war er bei der Wehrmacht gekommen, "damals in Russland sind die Konkurrenzprodukte alle elend erfroren." Er kaufte mal einen Mercedes 200, aber in dem musste sein Münsterländer immer kotzen, also blieb die Isabella im Haus. Wenn ich ihn, den über 60 Jahre Älteren, gelegentlich traf, erzählte er mir wieder vom 120er Schnitt auf seinen Fahrten zu den Bundesbrüdern nach Mitteldeutschland (sic), aber die Diagonalreifen, die er dafür benutzte, fuhren sich nie wieder ab. Wohlgemerkt, das war Ende der 80er Jahre, nicht 1966! - Oder Walter N., Ingenieur wie so viele Borgward-Verehrer: Päppelte seine 1960er de luxe mit Schiebedach bis 1984 durch und verkaufte sie dann auf Druck seiner Tochter, die nicht in der alten Karre heiraten wollte. Er musste einen Mercedes anschaffen (müsste mal prüfen, ob er ihn noch hat, wäre ein astreiner Youngtimer.) -
Meine Nummer 1 135 385 (TS, August 1958) wurde bis 1961 normal genutzt und dann nur noch wenig bewegt, in 16 Jahren nur 70 000 Kilometer. Der Erstbesitzer, selbstfahrender Speditionsunternehmer mit nur einem Lastwagen, ist leider schon 1992 verstorben. Es gelang mir dann nach dem Kauf 1999, einen seiner Bekannten zu finden, der den Grund des Wenigfahrens kannte: Seine Frau fing am Gasherd Feuer, sie trug eines der damals modernen Nylonkleider, wurde zum Pflegefall, er hatte keine Zeit mehr zum Fahren - aber die Isabella abgeben, unvorstellbar. Klar, die Erinnerung an bessere Zeiten... Als sie sein Neffe abgreifen wollte, hat sie der alte Herr aus Angst vor dessen Fahrstil lieber an einen gleichaltrigen Bekannten verkauft. So kam sie zu mir und darf jetzt mit originalen 140.000 km und entzückender Patina von mir umtütelt werden.
Fazit, auch aus anderer Recherche-Erfahrung: Viele Spuren lassen sich noch freilegen und lesen, Nachbarn wissen noch nach Jahrzehnten allerhand, Einwohnermeldeämter sind bei Klassikern und ihrer Story oft sehr kooperativ, Lokalzeitungsredakteure kennen Menschen, die jeden im Städtchen am Gang erkennen und einfach alles wissen, Seniorenbeauftragte fragen im Pflegeheim, Enkel finden Fotoalben auf Dachböden. Dann sind 45 Jahre wie ein Tag. Vor drei Monaten fand ich in K., einer Kleinstadt in Bayern, ohne weitere Vorbereitung und innerhalb von anderthalb Stunden (Fragen, dreistes Klingeln, freundliches Gespräch) die Tochter des Mannes, der die ersten 16 Jahre am Steuer meiner Arabella saß. Die Familie war völlig ahnungslos, dass Opas Auto noch lebt. Der Unterschied zum Flügeltürer: Den Moment kaufst Du nicht für Geld.
Nachtgedanken, Aral-Bert ist wieder dran!
Christian