"Klare" Formulierung bewusst mehrdeutig?
geschrieben von: Peter (---.mch.sbs.de)
Datum: 12. Juni 2006 12:01
Liebe Borgwardfreunde,
Christian von der Borgward-Presseabteilung gab neulich im Forum den Hinweis, einmal die Bewertungsskala in e-Bay von "borgwardandmore" anzusehen. Dazu habe ich mir mittlerweile die Zeit genommen. Zunächst musste ich feststellen, dass die positiven Bewertungen deutlich in der Mehrzahl sind, jedoch der Anteil an Negativbewertungen schon erkennbar über dem Durchschnitt liegt. Bei genauerer Analyse dieser Kommentare findet man, dass der Anlass fast immer den gleichen Kern hat: Es wird etwas angeboten und in einer Weise beschrieben, die aus Sicht des Anbieters zwar korrekt ist, beim Leser aber offensichtlich Vorstellungen weckt, die deutlich an der Realität vorbei gehen. Der meist sehr spitz formulierte Antworttext lautet dann sinngemäß, dass der Interessent wohl des Lesens nicht ganz mächtig sei bzw. versäumt habe, genauer nachzufragen. So wurden anscheinend mehrmals Fotokopien interessanter Dokumentationen als Reproduktionen angeboten, was bei spitzfindiger Auslegung zwar irgendwie hinzubiegen ist, denn eine Kopie kann natürlich als automatisch generierte Reproduktion oder Nachdruck bezeichnet werden, aber jemand, der dafür einiges bezahlt, ist bei Erhalt der Ware verständlicherweise sichtlich enttäuscht. Die Konsequenz ist, dass man auf diesem Gebiet gar nicht vorsichtig genug sein kann und sich vor einer Gebotsabgabe vielleicht sogar telefonisch noch einmal rückversichern sollte. Ein Mitschnitt, der heute auch mit vielen Handys technisch möglich ist, bietet später eine bessere Diskussionsgrundlage und gilt als ganz gutes Beweismittel, weil die Stimmfrequenz ein zuverlässiges Zuordnungskriterium ist. Rechtlich ist ein Mitschnitt übrigens auch zulässig, wenn nicht darauf hingewiesen wird; er ist lediglich verboten, wenn zuvor versichert wird, dass er nicht erfolge.
Weit unangenehmer sind die Überraschungen oft bei größeren Investitionen als einem alten Prospekt oder einer antiquarischen Bedienungsanleitung - nämlich beim Erwerb eines kompletten Fahrzeugs: So inserierte ein Anbieter, der mittlerweile schon mehrere Betrugsverfahren am Hals hat, sinngemäß, dass er ein Cabriolet nach Deutschumbau anzubieten habe. Der Leser wusste vielleicht, dass seinerzeit die Cabriolets nicht von Borgward selbst, sondern von der Firma Deutsch als Limousinenumbau vorgenommen wurden und war sich sicher, dass ein solches Exemplar zum Verkauf stehe. Was er erhielt, was eine vom Anbieter selbst enthauptete Limousine, die dann nachträglich zum Cabriolet umfrisiert worden war, was jedoch offenbar während der gesamten Verkaufsgespräche geschickt umschifft wurde und erst bei einem späteren Wiederverkauf durch einen kundigen Interessenten an den Tag kam. Der ursprüngliche Anbieter rechtfertigte sich dann unschuldsvoll damit, dass man aus der Formulierung "n a c h" doch klar hätte erkennen müssen, dass ein Nachbau gemeint sei. Ein langwieriger Rechtsstreit war die Folge - auf jeden Fall unerfreulich und kostenintensiv. Aus solchen Begebenheiten sieht man, dass grundsätzlich zunächst stets der "worst case" anzunehmen ist und sich die Wahrheit leider längst nicht immer von selbst herauskristallisiert, sondern Punkt für Punkt erfragt, ja oft förmlich herausgebohrt werden will.
Viele Grüße,
Peter